SOUL SUNDAY

AUFBRUCH ZU EINEM ALTERNATIV-KONTEMPLATIVEN GOTTESDIENSTFORMAT

von Dennis Thielmann

Seit wir die ersten Lieder von Songs of Peace veröffentlicht haben, fragen wir uns, in welches liturgische Konstrukt diese eher meditativen und repetitiven Songs gut hineinpassen. Auf welche Art und Weise können sie in einen Gottesdienst eingebaut werden, dass neben einem musikalischen Erlebnis auch Raum und Möglichkeit für eine geistlich-spirituelle Erfahrung entsteht, die für viele Menschen eine kraftvolle Glaubensressource bedeuten kann?

Aus diesen Überlegungen heraus konzipierten wir im vergangenen Jahr gemeinsam mit einem Team aus der Evangelischen Mennonitengemeinde Schänzli ein neues Gottesdienstformat. Wir wollten entschieden ausbrechen aus jenem typisch freikirchlichen, zweiteiligen Gottesdienstablauf, bestehend aus «Lobpreiszeit» und «Predigt» (die inhaltlich oft noch relativ unabhängig voneinander funktionieren). Stattdessen wollten wir einen Gottesdienst entwerfen, der in seiner Gesamtheit einen liturgischen «Flow» ermöglicht und dabei eine moderne Sound- und Inszenierungssprache spricht. Ein Gottesdienst, der als Weg mit verschiedenen Etappen verstanden werden kann, wo sämtliche Elemente (Lieder, Wortbeiträge, Stille oder andere rituelle Handlungen) jeweils eine konkrete Funktion im Ablauf übernehmen und dann fliessend, ohne viel Zwischenansagen, mit einer gewissen «rituellen Selbstverständlichkeit» (Martin Nicol: Weg im Geheimnis 2011, S. 46) ineinandergreifen.

Entstanden ist ein alternatives, meditativ-kontemplatives Gottesdienstformat, das von friedenstheologischen Glaubensüberzeugungen ausgeht. Es knüpft an meditative und liturgische Traditionen wie Taizé oder die christliche Mystik an und kommt in einer zeitgemässen Sprache, in modernem Sound und mit bewegenden Rhythmen zum Ausdruck. Wir nennen diesen Gottesdienst SOUL SUNDAY.

DER SOUL SUNDAY

Im SOUL SUNDAY sitzen wir im Kreis mit Kerzenlicht und werden mit Herz, Verstand und Körper hineingenommen in gemeinsame Momente der Stille, mit Achtsamkeitsübungen, rituellem Gesang und Schriftlesungen. Das alles geschieht in einer ästhetisch und emotional ansprechenden Atmosphäre.

So können sich Räume öffnen für eine heilsame Selbstwahrnehmung, für Gemeinschaft mit Gott sowie untereinander und für einen verantwortungsbewussten Weitblick, auch über den eigenen Tellerrand hinaus.

Der SOUL SUNDAY verläuft liturgisch jedes Mal durch drei Etappen, gewissermassen Bewegungen. Diese sind eingerahmt von einem Teil des «Ankommens» und des «Weitergehens» und bilden damit die Bauelemente des gottesdienstlichen Gerüsts. Übergänge von einer Wegstrecke zur nächsten werden eingeläutet z.B. mit Gong oder Klangschale:

  • Eintreten. Sich niederlassen. Willkommen sein.

    Kaffee, Gespräche, Live-Musik, im Kreis Platz nehmen.

  • Miteinander zur Ruhe finden. Bei sich und bei Gott ankommen. Stille als Kraftquelle entdecken.

    Z.B. mit meditativem Singen, Achtsamkeitsübungen, Schweigen und geführter Meditation zur Innenausrichtung, Selbstwahrnehmung und sich Öffnen für Gottes Gegenwart.

  • Perspektiven öffnen. Orientierung finden. Wirken lassen.

    Thema des Gottesdienstes vertiefen. Z.B. mit Schriftmeditationen, Dialog-Predigten, Interviewgesprächen, Anspielen oder Lesungen und Wortbeiträgen von unterschiedlichen Personen und aus unterschiedlichen Perspektiven auf das Thema.

  • Gemeinschaft feiern. Voneinander lernen. Hoffnung und Liebe teilen.

    Partizipative Handlungen mit gemein- schaftlichem und heilsamem Mehrwert. Z.B. Kunstwerke gemeinsam gestalten, Brot und Wein miteinander teilen, gemeinsames Singen, Austausch, Bewegung. Fürbitte als offenes Gebet: für den Nächsten, für die Nöte der Welt/Kirche, für mehr Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung.

  • Segen empfangen. Sich dem Alltag zuwenden. Gestärkt den Weg fortsetzen.

    Segenslieder, Segensworte und Abschiedsrituale: «Worauf hoffst du?», Segenswünsche aussprechen, Aufbruch zur nächsten Etappe im Alltag.

Im SOUL SUNDAY geht es uns nicht so sehr ums «Teaching», sondern mehr ums «Hearing» und «Healing», um die Gemeinschaft und um das Aufspüren von Gottes Liebe. Wir versuchen den Menschen ganzheitlich anzusprechen (Verstand, Emotionen, Körper) und vertrauen darauf, dass die Wahrnehmung von Gottes Reden und Wirken für jede Person sehr unterschiedlich ist. Wir laden dazu ein, zu hören und zu spüren «was ist», ohne allzu schnell ins «was sein sollte oder muss» zu fallen.

Neben dem Lob Gottes und dem Ausdruck der Dankbarkeit bringen wir als Gemeinschaft auch Zweifel, Klage und Not, sowie die Erfahrung von Unvollständigkeit, Ohnmacht und Zerrissenheit zum Ausdruck. In Allem schliessen wir uns der Hoffnung an, dass «trotz aller Unheilserfahrungen, uns auch gute Mächte treu und still umgeben, für die wir uns öffnen, denen wir einander anbefehlen, und mit denen wir einszuwerden versuchen». (Stefan Schütze: Gefeiertes Geheimnis 2013, S. 159).

Dieser Artikel erschien zunächst im Bienenberg Magazin Winter/Frühling 2023.

Die nächsten Soul Sunday Termine findest du unter Events.

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Songs of Peace: Entstehung